Dieses Zitat aus unserer quotery Berlin-Edition ist nicht mehr ganz aktuell – inzwischen müsste es korrekterweise heißen, dass man es seit mehr als 14 Jahren versucht. Seit dem 05. September 2006 befindet sich der Flughafen Berlin Brandenburg “Willy Brandt” hinter den südlichen Ausläufern der Stadt im brandenburgischen Schönefeld im Bau. Sein Code der International Air Transport Association IATA lautet BER, was sich als Kürzel im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert hat. Die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB GmbH), an der die Stadt Berlin (37%), das Land Brandenburg (37%) und der Bund (26%) mit ähnlichen Anteilen beteiligt sind, wird den Flughafen nach dessen Fertigstellung betreiben.
Nur ist das mit der Fertigstellung eben so eine Sache. Geplanter Eröffnungstermin war zunächst der November 2011, dann der Juni 2012, dann März 2013, es wurde Oktober 2013 und was hatte immer noch nicht eröffnet? Richtig, der Großflughafen BER! Auch weitere angepeilte Termine 2017 und 2018 konnten nicht eingehalten werden.
Inzwischen heißt es von der Betreibergesellschaft, dass es sich mit dem derzeit geplanten Eröffnungstermin von Oktober 2020 um einen Termin handelt, der wohl tatsächlich eingehalten werden könnte. Wir sind alle höchst gespannt.
Wo lag und liegt das Problem? Da gab und gibt es viele. Fehlmanagement, Mängel am Bau, wie beispielsweise die Brandschutzanlage – die Liste ist lang. Sehr lang. Aktuell sind beispielsweise noch 16.000 Mängel an den Sicherheitskabeln zu beheben. Was auch immer Sicherheitskabel sind…
Einige sind der Meinung BER sei ein reines Prestigeprojekt des Bundes und der beiden beteiligten Bundesländer, andere wiederum halten den Bau für dringend erforderlich. Nun, der Flughafen ist auch heute noch nicht eröffnet. Stattdessen findet der Flugverkehr weiterhin von den Flughäfen Schönefeld und Tegel statt. Im Oktober 2020 wissen wir mehr.
Und wer sich bis dahin die Zeit mit weiteren Zitaten zum Bau des Flughafens vertreiben will, dem sei wärmstens dieser Überblick ans Herz gelegt. Dort finden sich unter anderem Schätzchen, wie “Er wird immer fertiger und fertiger.” vom ehemaligen Vorsitzenden der Geschäftsführung der FBB GmbH Hartmut Mehdorn. Das Zitat aus unserem Spiel von Lorenz Maroldt und Harald Martenstein entstammt übrigens dem auch sehr lesenswerten Artikel zu Berlin Ins Scheitern verliebt aus dem Zeit Magazin 45/2017, der die Essenz der Stadt auf ganz wunderbare, wenn auch bisweilen etwas schmerzhafte Weise zusammenfasst.
Außerdem tröstet vielleicht der Umstand, dass auch andere Städte in der Vergangenheit mit Großprojekten empfindlich auf die Fresse geflogen sind. Erinnert sei da beispielsweise an die Hamburger Elbphilharmonie, vom Volk heute liebevoll Elphi genannt: 2002 versuchte der damalige Bürgermeister Ole von Beust dem Stadtrat den Bau einer neuen Musikhalle in der Hafencity für etwa 50 Mio. € schmackhaft zu machen. Nach empfindlichen Kostensteigerungen, Bauskandalen und langen Mängellisten inklusive massiver Zeitverzögerung kostete die Elphi am Ende insgesamt 866 Mio. €. Da fallen die 52.000€, die drei mal im Jahr fürs Fenster putzen fällig werden auch schon nicht mehr groß ins Gewicht.
Update vom 09.11.2020: Tschüss TXL, und Hallo, BER! Nach 14 Jahren Bauzeit kam er nun doch der große Tag: Am 31.10.2020, gut eine Woche vor der Schließung Tegels, öffnete der Großflughafen Berlin-Brandenburg seine Türen. Auf der Website der Bundesregierung heißt es, aufgrund der Verzögerungen und Skandale über die Jahre nehme der BER den Betrieb ohne große Feierlichkeiten auf. Engelbert Lütke-Daldrup, seines Zeichens Inhaber eines sehr komplizierten Nachnamens und Vorsitzender der BER-Geschäftsführung dazu:
“Es gibt keine große Party: Wir machen einfach auf.”
Na dann, auf gutes Gelingen!
Berliner Flughäfen
An dieser Stelle wollen wir noch ein paar Worte zu den fertigen Flughäfen in Berlin verlieren. Berlin verfügt über drei Flughäfen: Schönefeld (SXF) südlich außerhalb von Berlin, der zumindest teilweise in den BER aufgehen soll, Tegel (TXL) im Nordwesten der Stadt, sowie Tempelhof (ehemals THF) südlich von Kreuzberg.
Der Flughafen Berlin-Tempelhof wurde seit 1923, als einer der ersten Verkehrsflughäfen Deutschlands übrigens, betrieben und fertigte im Oktober 2008 seine letzten Fluggäste ab. Besonders wichtig war der Flughafen zu Zeiten der Blockade Westberlins durch die sowjetische Besatzungsmacht. Vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 hatte sie aufgrund politischer Differenzen mit der Trizone – der wirtschaftlichen und demokratischen Vereinigung von britischer, US-amerikanischer und französischer Besatzungszone – alle Transportwege nach Westberlin abgeriegelt. Um die Versorgung der damals 2,2 Mio. Westberliner*innen und den dort stationierten alliierten Soldat*innen sicherzustellen, wurde die Berliner Luftbrücke ins Leben gerufen. Durch ausgeklügelte Strategien versorgten die Alliierten während dieser Zeit die Bewohner*innen Westberlins mit allem Lebensnotwendigen über die drei Flughäfen Tempelhof, Gatow und Tegel sowie über den großen Wannsee mittels Flugbooten. Eine Leistung, von der vorab nicht klar war, ob sie wirklich gelingen würde. Heute gilt die Berlin-Blockade als sowjetisches Druckmittel mit der folgenden Luftbrücke als westlichem Widerstand als erste Schlacht des kalten Krieges.
Nach der Schließung des Flughafens Tempelhof wurde das Gelände der Berliner Bevölkerung zugänglich gemacht. Das ehemalige Flughafengebäude wird heute mitunter für Messen genutzt, auch als Notunterkunft für Flüchtlinge diente es von 2015 bis 2017. Trotz weitreichender Nachnutzungspläne für das gesamte Gelände scheint es heute, als hätten diverse Initiativen erfolgreich eine allzu starke Kommerzialisierung verhindert: Das Tempelhofer Feld mit seinen ehemaligen Start- und Landebahnen und den umgebenden Wiesen darf entsprechend des Tempelhof-Gesetzes von 2014 weiterhin nicht bebaut werden und lädt so in seiner Weite die Berliner*innen und Berlins Besucher*innen zum Radfahren, Inline-Skaten, Spazieren, Gärtnern, oder mit einem Bier resp. anderen Kaltgetränk eurer Wahl einfach zum Verweilen ein.
Der Flughafen Tegel “Otto Lilienthal” ist in vielerlei Hinsicht besonders. So wurde sechs Wochen nach Beginn der Berlin-Blockade mit dem Bau der damals für Europa längsten Start- und Landebahn begonnen, die am 05. November 1948 erstmals angeflogen wurde. Herzstück des Flughafens ist auch heute noch das sechseckige Terminal A, das allerdings erst zwischen 1969 und 1974 gebaut wurde. Es setzt den für die Architektur der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts so typischen Stil um, Funktionen in geometrische Formen zu übersetzen und konsequent als visuelles Leitmotiv zu wiederholen. Das Sechseck – oder vielmehr der geschlossene Ring – sorgt dafür, dass Tegel gemessen am Flugpassagieraufkommen auch heute noch einer der Flughäfen mit den kürzesten Laufwegen überhaupt ist: Durchschnittlich ist man in 5 Minuten vom Eingang zum Gate gelaufen. Das ergab eine Studie, die die durchschnittlichen Gehzeiten zwischen 14 europäischen Großflughäfen verglich. Im Jahr 2019 fertigte Tegel sagenhafte 24 Mio. Fluggäste ab, dabei wurde der Flughafen 1974 ursprünglich für 2,5 Mio. pro Jahr geplant. Im November 2020 soll Tegel endgültig zugunsten von BER seinen Flugbetrieb einstellen, auch wenn ein Volksentscheid 2017 sich knapp für die Offenhaltung Tegels aussprach. Nach Schließung sollen die Gebäude für kleinere Unternehmen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen umgewidmet werden, auf dem Gelände selbst soll ein neuer Kiez für insgesamt 10.000 Menschen entstehen.
Der dritte Flughafen im Berliner Bunde ist der kleine und irgendwie auch uncoole Bruder von Tegel: Flughafen Schönefeld. Seine Geschichte beginnt 1934 mit dem Bau der Henschel Flugzeug-Werke, wofür auch eine Start- und Landebahn aus Beton errichtet wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde auf Anordnung der sowjetischen Besatzungsmacht der Bau eines zivilen Flughafens in Schönefeld begonnen, der nach Fertigstellung und mehreren Um- und Ausbauten zum Zentralflughafen der DDR avancierte.
Und heute? Schönefeld ist weiter draußen als Tegel und auch die Wege sind deutlich weiter. Schon vom Bahnhof Flughafen Schönefeld zum Eingang sind es 600 Meter, was zwar nicht nach viel klingt, sich mit schwerem Gepäck aber durchaus so anfühlen kann. Im Jahr 2019 betrug das Passagieraufkommen in Schönefeld mit 11,4 Mio. nur gut die Hälfte von dem Tegels. Einen Lichtblick gibt es dennoch in Schönefeld: Auch wenn BER noch nicht fertig ist, so verfügt Schönefeld zumindest schon einmal über Absperrbänder mit BER-Logo. Darauf lässt sich doch aufbauen.
Nachtrag 09.11.2020 – Schlag auf Schlag geht es im Oktober/November 2020
Quellen
http://www.kayak.ch/cimg/sites/default/files/PM_KAYAK_ch_Airports_fur_Sprinter.pdf
https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/die-schoensten-zitate-zur-ber-eroeffnung-seit-mai-2010
https://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/45/berlin-stadt-bewohner-liebe/komplettansicht
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/ber-eroeffnung-1804372